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Evolution der Spannungsebenen in der Elektromobilität: Von 400VDC zu 800VDC und darüber hinaus

 Die Elektromobilität durchlebt eine rasante Entwicklung,  angetrieben von Innovationen in allen technischen Bereichen. Ein  zentraler Aspekt, der maßgeblich die Leistung, Effizienz und  Ladefähigkeit von Elektrofahrzeugen beeinflusst, ist die gewählte  Systemspannung. Lange Zeit dominierte die 400V-Technik den Markt, doch  nun setzt sich zunehmend die 800V-Architektur (Xiaomi, BYD, Audi, Xpeng, etc.) durch. Dieser kurze Artikel beleuchtet die technischen Vor- und  Nachteile beider Ansätze und wirft einen Blick auf die Zukunft der  Spannungsebenen in der Elektromobilität.    

                         

Die Ära der 400V-Architektur: Solide, aber mit Grenzen    

Die 400V-Technik war über viele Jahre der De-facto-Standard in  Elektrofahrzeugen und hat maßgeblich zur Verbreitung der Elektromobilität beigetragen. Ihre Einführung basierte auf der  Verfügbarkeit von bewährten Komponenten und der relativ einfachen  Beherrschbarkeit der elektrischen Isolation. Ein wesentlicher Vorteil  der 400V-Architektur liegt also in der breiten Verfügbarkeit von  kostengünstigen Leistungselektronikkomponenten und in der Folge  Ladestationen, die auf diese Spannungsebene ausgelegt sind. Dies  ermöglichte eine schnelle Markteinführung und Skalierung der  Elektrofahrzeuge. Zudem sind die Sicherheitsanforderungen bei 400V im  Vergleich zu höheren Spannungen weniger komplex, was die Entwicklung und Produktion vereinfachte.                                  


Trotz dieser Vorteile stößt die 400V-Technik zunehmend an ihre Grenzen, insbesondere im Hinblick auf die steigenden Anforderungen an  Ladeleistung/Ladezeit und Effizienz. Ein Hauptnachteil ist der höhere Stromfluss bei gleicher Leistungsabgabe. Gemäß dem ohmschen Gesetz führt eine niedrigere Spannung bei gegebener Leistung zu einem höheren Strom  (P=U⋅I). Dieser höhere Strom erfordert dickere Kabelquerschnitte, um ohmsche Verluste (P=I2⋅R) und damit Wärmeentwicklung zu minimieren. Dies führt zu mehr Gewicht und Bauraum, was die Effizienz des Systems begrenzt. Darüber hinaus limitieren die hohen Ströme die maximale  Ladeleistung. Um sehr hohe Leistungen zu übertragen, müssten die Ladesäulen und die fahrzeugseitige Ladeinfrastruktur extrem große Ströme handhaben, was technisch aufwendig und teuer ist und zu deutlich  dickeren und unhandlicheren Ladekabeln führen würde. Auch die thermische Belastung der Batteriezellen und der Leistungselektronik ist bei  höheren Strömen ausgeprägter, was die Lebensdauer der Komponenten  beeinflusst (Faustformel: 10°C höhere Temperatur halbiert die  Lebensdauer).    

                              

Die logische Folge daraus: die 800V-Architektur für Effizienz und schnelles Laden    

                              

Die Entscheidung, die Systemspannung in Elektrofahrzeugen auf 800V anzuheben, ist eine direkte Antwort auf die Limitierungen der  400V-Technik und die steigenden Anforderungen des Marktes. Der  Hauptvorteil der 800V-Architektur liegt in der signifikanten Reduzierung des Stromflusses bei gleicher Leistungsabgabe. Durch die Verdopplung  der Spannung halbiert sich der Strom bei gleicher Leistung (I=P/U). Dies hat weitreichende positive Konsequenzen: Geringere Stromstärken ermöglichen die Verwendung dünnerer Kabelquerschnitte, was zu  Gewichtseinsparungen und einem geringeren Bauraumbedarf führt. Die  geringeren Ströme führen auch zu deutlich reduzierten ohmschen Verlusten (PV=I2⋅R) im gesamten Antriebsstrang, von der Batterie über die  Leistungselektronik bis zum Elektromotor. Dies steigert die  Gesamteffizienz des Systems und erhöht die Reichweite des Fahrzeugs.    

                              

Der vermutlich wichtigste Vorteil der 800V-Architektur ist jedoch  die Ermöglichung von extrem hohen Ladeleistungen. Mit 800V können  Leistungen von über 350 kW realisiert werden, ohne dass die Stromstärken unhandlich hoch werden. Dies verkürzt die Ladezeiten erheblich und  macht Elektrofahrzeuge noch alltagstauglicher. Die geringere thermische  Belastung der Komponenten bei hohen Leistungen trägt zudem zur  Langlebigkeit des Systems bei. Darüber hinaus kann die höhere Spannung  dazu beitragen, die Effizienz des Inverters und der Elektromotoren zu  verbessern, da diese bei höheren Spannungen in optimaleren  Arbeitsbereichen betrieben werden können.    

                         

Chinesische Hersteller wie BYD, XPENG und ZEEKR sind führend  darin, durch die konsequente Implementierung der 800V-Technik in  Kombination mit innovativen Zellchemien, beispielsweise von CATL, extrem kurze Ladezeiten zu realisieren. Ihre Modelle, wie der Elektro-SUV SU7  von Xiaomi oder der XPENG G9, können dank dieser fortschrittlichen  Architekturen und optimierten Batteriezellen in Rekordzeit von 10 auf 80 Prozent geladen werden, was die Attraktivität von Elektrofahrzeugen für den Alltag erheblich steigert und die Ladeerfahrung der eines  Tankstopps mit Verbrennern annähert.    

                              

Die verzögerte Einführung der 800V-Technik ist maßgeblich auf die  Verfügbarkeit geeigneter Leistungshalbleiter zurückzuführen.  Traditionelle Silizium-basierte Halbleiter stoßen bei höheren Spannungen und Schaltfrequenzen an ihre physikalischen Grenzen. Erst die  Entwicklung und Reifung von Wide-Bandgap-Halbleitern wie Siliziumkarbid  (SiC) und Galliumnitrid (GaN) hat die 800V-Architektur praktikabel  gemacht. SiC- und GaN-Bauelemente bieten im Vergleich zu  Silizium-Bauelementen eine deutlich höhere Durchbruchspannung, geringere Schaltverluste und die Fähigkeit, bei höheren Temperaturen zu arbeiten. Diese Eigenschaften sind entscheidend, um die Leistungselektronik für  800V-Systeme effizient und kompakt zu gestalten. Sie ermöglichen höhere  Schaltfrequenzen, was wiederum die Größe der passiven Komponenten wie Spulen und Kondensatoren reduziert und damit zur Miniaturisierung und Gewichtsreduktion der Umrichter beiträgt. Ohne die Fortschritte bei SiC- und GaN-Leistungshalbleitern (z.B. Wolfspeed, Infineon, Semikron,  STMicroelectronics, GaN Systems und Panasonic) wäre die flächendeckende  Einführung der 800V-Technik in der Elektromobilität in ihrer heutigen  Form nicht realisierbar gewesen.    

                              

Die Nachteile der 800V-Architektur liegen primär in den anfänglich höheren Kosten für die speziellen SiC- und GaN-Leistungshalbleiter  sowie in der Notwendigkeit einer robusteren elektrischen Isolation. Die  gestiegene Spannung erfordert eine sorgfältigere Auslegung der  Isolationsstrecken und die Verwendung hochwertigerer Isoliermaterialien, um die Sicherheit zu gewährleisten. Auch die Entwicklung und  Qualifizierung der Komponenten für höhere Spannungen ist aufwendiger.  Zudem ist die Ladeinfrastruktur für 800V-Fahrzeuge noch im Aufbau,  wenngleich sich dies rapide ändert.    

                              

Ausblick in die Zukunft: Megawattladen und 1500V DC    

Die Entwicklung der Spannungsebenen in der Elektromobilität ist  noch lange nicht abgeschlossen. Mit dem Aufkommen von schweren  Nutzfahrzeugen wie Elektro-LKWs und Bussen, die extrem hohe  Ladeleistungen benötigen, rücken bereits noch höhere Spannungsebenen in  den Fokus. Das Megawattladen, das Leistungen von einem Megawatt und mehr ermöglicht, wird in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen, um  diese Fahrzeuge effizient und schnell zu betanken. Um solche Leistungen zu übertragen, ohne astronomische Ströme zu benötigen, wird die Systemspannung weiter erhöht. Es wird intensiv an Systemen mit bis zu 1500 V Gleichspannung (DC; Grenze der Niederspannungsrichtlinie; IEC  60664) geforscht und diese werden voraussichtlich in den nächsten Jahren in ersten Anwendungen zu sehen sein. Diese extrem hohen Spannungen stellen neue Herausforderungen an die Isolation, die Sicherheit und die  Leistungselektronik dar, doch die Fortschritte bei den  Wide-Bandgap-Halbleitern werden auch hier die treibende Kraft sein. Die  kontinuierliche Forschung und Entwicklung in diesem Bereich wird die  Grenzen des technisch Machbaren immer weiter verschieben und die  Elektromobilität zu einer noch leistungsfähigeren und effizienteren  Lösung für den Transport der Zukunft machen.