Batterie-Recycling - Chance für Europa
Mit dem Wachstum der Elektromobilität in Europa und dem zunehmenden Einsatz von Heimspeichern für die Photovoltaiksteht steht die Region vor einer neuen Herausforderung: dem Management einer stetig steigenden Menge an verbrauchten Lithium-Ionen-Batterien. Während die Menge an nicht mehr nutzbaren Batterien aus Elektrofahrzeugen und anderen Anwendungen (z. B. USV) noch überschaubar ist, bereitet sich die Industrie bereits auf die kommenden Jahre vor.
Die Prognose des Chemnitzer Automotive Institute, die von einer Produktion von etwa 1,6 Millionen Elektrofahrzeugen in 2025 allein in Deutschland ausgeht, unterstreicht die Notwendigkeit, wirtschaftlich tragfähige und effiziente Recyclinglösungen zu etablieren. Eine rein thermische Aufarbeitung dieser wertvollen Rohstoffträger ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. In einem Zeitalter wachsenden Umweltbewusstseins entwickelt sich daher eine spezialisierte Industrie, die das Recycling von Batterien als lukratives Zukunftsgeschäft begreift. Zudem gelangen mit jeder asiatischen Batterie, die jetzt geliefert wird, wertvoller Rohstoff in die europäische Kreislaufwirtschaft.
Die europäischen Recyclingindustrie wächst
Die europäische Industrie hat die Notwendigkeit erkannt, eigene Recyclingkapazitäten aufzubauen. Obwohl die Rückläufe von Altbatterien aus E-Fahrzeugen aufgrund ihrer unerwartet langen Lebensdauer noch moderat sind, übersteigt die angekündigte Recyclingkapazität in Europa den aktuellen Bedarf bereits. Experten des Fraunhofer ISI gehen davon aus, dass die europäische Recyclingkapazität bis 2025 auf rund 220.000 Tonnen pro Jahr steigen wird, während der tatsächliche Bedarf aus dem Automobilsektor noch deutlich darunter liegt.
Eine Vielzahl von Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereitet sich auf die anstehende Lawine an Altbatterien vor. Laut der Deutschen Rohstoffagentur gibt es in Europa bereits industriell etablierte Recyclinganlagen von Unternehmen wie Umicore, Accurec und Duesenfeld. Die BASF, ein wichtiger Hersteller von Batteriezellen-Komponenten, positioniert sich als Pionier, der das Batterierecycling mit seinem chemischen Know-how revolutionieren will. Das Unternehmen ist in der Lage, wertvolle Bestandteile wie das umweltkritische Lithium effizient zurückzugewinnen. Das Joint Venture zwischen Umicore und Audi in Belgien hat eine der ersten großtechnischen Anlagen in Europa errichtet, die bereits bis zu 90 Prozent des Kobalts und Nickels zurückgewinnen kann. Hier wird jedoch die Rückgewinnung von Lithium aufgrund des gewählten Verbrennungsverfahrens noch optimiert.
Ebenfalls in Deutschland hat das Unternehmen Duesenfeld ein Verfahren entwickelt, bei dem die Batterien zunächst mechanisch zerkleinert werden, um die Elektrolyt-Flüssigkeit zu separieren. Anschließend werden in weiteren Schritten Metalle und Plastikbestandteile getrennt und auf chemischem Weg Materialien wie Graphit, Mangan, Kobalt, Lithium und Nickel in hoher Reinheit zurückgewonnen. Das deutsche Startup cylib aus Aachen hat im September 2025 eine EU-Förderung in Höhe von 26,1 Millionen Euro erhalten, um in Dormagen eine eigene industrielle Anlage zu errichten. Diese verschiedenen Ansätze verdeutlichen, dass sich in Europa eine Vielfalt an Verfahren etabliert, um die wertvollen Rohstoffe aus Altbatterien zu extrahieren. Auch große Batteriehersteller wie Samsung SDI und Varta engagieren sich in Forschungsprojekten, um die Recyclingprozesse wirtschaftlich zu gestalten.
Gewinnung wertvoller Rohstoffe und ihre Bedeutung
Ein seit vielen Jahren bereits bestehender Begriff beschreibt die Ziele der Rückgewinnung von Rohstoffen sehr gut: Urban Mining.
Urban Mining bezeichnet die gezielte Rückgewinnung von Rohstoffen aus anthropogenen Quellen. Dabei handelt es sich um Materialien, die in Produkten, Gebäuden, Infrastrukturen und Abfällen in urbanen und suburbanen Gebieten enthalten sind. Im Gegensatz zum traditionellen Bergbau, der Rohstoffe aus natürlichen Lagerstätten in der Erde gewinnt, nutzt Urban Mining die Siedlungsräume und Industrieanlagen als "Sekundärlagerstätten". Urban Mining ist damit eng mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft verbunden. Es zielt darauf ab, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu reduzieren, die Abhängigkeit von Importen zu verringern und die Umweltbelastung durch den Primärabbau zu minimieren.
Auch das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien ermöglicht die Rückgewinnung einer breiten Palette an wertvollen Metallen, darunter Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Kupfer. Laut einer Studie von SENEC aus dem Jahr 2023 stecken in einer durchschnittlichen 400 kg schweren E-Auto-Batterie rund 33 kg Graphit, 12 kg Kobalt, 12 kg Nickel, 11 kg Mangan und 4 kg Lithium. Diese Rohstoffe werden derzeit noch fast ausschließlich in Minen gewonnen, was mit hohem Energie- und Wassereinsatz sowie erheblichen Umweltschäden in den Abbaugebieten verbunden ist. Das Recycling stellt eine nachhaltigere Alternative zur Minenproduktion dar. Die EU-Batterieverordnung fordert ab 2025 eine Gesamt-Recycling-Effizienz von 65 Prozent, die 2030 auf 70 Prozent steigen soll. Gleichzeitig werden spezifische Rückgewinnungsziele festgelegt: 95 Prozent für Kobalt, Kupfer und Nickel, sowie 80 Prozent für Lithium. Das Element Kupfer dient dabei als Paradebeispiel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, denn über 50 Prozent des in Deutschland verwendeten Kupfers stammt bereits aus Recyclingprozessen. Eine ähnliche Entwicklung wird für die Batterierohstoffe angestrebt.
Vorteile des Recyclings und notwendige Rahmenbedingungen
Der mittelfristige Aufbau einer funktionierenden Recycling-Wirtschaft für Batterien bietet Europa zahlreiche Vorteile. An erster Stelle steht die Reduzierung der Abhängigkeit von asiatischen Ländern, die derzeit den globalen Markt für Batterierohstoffe und -produktion dominieren. Durch die Etablierung lokaler Recyclingkapazitäten kann Europa eine eigene, souveräne Lieferkette für kritische Rohstoffe aufbauen. Der "Critical Raw Materials Act" der EU hat das Ziel, bis 2030 mindestens 25 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategischen Rohstoffen durch Recycling innerhalb der EU zu decken. Zweitens trägt das Recycling erheblich zur Reduktion der Umweltbelastung in den Abbaugebieten bei. Es minimiert den Bedarf an neuem Bergbau, verringert die Zerstörung von Ökosystemen und den hohen Wasserverbrauch. Drittens verspricht das Recycling einen Effizienzgewinn, da die Aufbereitung von Sekundärrohstoffen oft weniger energieintensiv ist als die Primärgewinnung. Eine Studie des Forschungszentrums Jülich von 2024 belegt, dass das Batterierecycling die Kosten und den CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren kann. Schließlich können geringere Kosten erzielt werden, da die Beschaffung von recyceltem Material, sobald die Prozesse skaliert sind, potenziell günstiger wird als der Kauf auf den globalen Rohstoffmärkten.
Tragfähige Geschäftsmodelle brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität
Damit die Logistik und das Recycling von Batterien als kosteneffizientes Geschäftsmodell greifen können, sind jedoch noch weitere Schritte notwendig. Obwohl die Anzahl der Elektrofahrzeuge und die Verfügbarkeit von Altbatterien aufgrund ihrer unerwartet langen Lebensdauer langsamer steigen als ursprünglich erwartet, muss unter anderem eine effiziente Logistikinfrastruktur aufgebaut werden, die den sicheren und kostengünstigen Transport der Altbatterien von den Sammelstellen zu den Recyclinganlagen gewährleistet. Unternehmen wie LogBATT und Interzero spezialisieren sich bereits auf diese komplexen Gefahrguttransporte. Zudem ist eine klare Regulierung, wie die EU-Batterieverordnung, notwendig, die die Rückgabe und Verwertung von Batterien verbindlich vorschreibt und somit eine kontinuierliche Materialversorgung der Recyclingbetriebe sicherstellt. Nur wenn die gesamte Wertschöpfungskette, von der Sammlung über den Transport bis zur effizienten Aufbereitung, optimiert wird, kann das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien zu einem integralen und wirtschaftlich tragfähigen Bestandteil der europäischen Kreislaufwirtschaft werden und den "Bodenschatz" der Altbatterien heben.
09.2025