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Batterien aus 100% Kunststoff

Die Anzahl an „Lösungen“ für günstigere, leistungsfähigere, billigere oder sicherere Batterien ist so groß wie die Möglichkeit der Kombination elektrochemisch einsetzbarer Kombinationen. Zahllose Ideen erlebten eine kurze mediale Aufmerksamkeit ohne indes je in eine Serienfertigung überführt zu werden. Eine neue Idee hat dazu womöglich die Chance, denn die Fertigung hat begonnen.

Die Firma Polyjoule aus Massachusetts bietet eine 100% aus Kunststoffen gefertigte Batterie an. Sie kombiniert dazu gewöhnliche Isolierfolien mit elektrisch leitfähigen Polymeren. Diese wurde zwar bereits vor 40 Jahren „entdeckt“, konnten jedoch lange nicht eingesetzt werden, weil sie zu instabil waren. Erste stabile und elektrisch leitfähige Kunststoffe basieren auf Polyanilin. Die in der Molekülstruktur enthaltenen Kohlenstoffatome dienen dabei als elektrischer Leiter. 

Der elektrochemische Aufbau der Batterie selbst ist nicht unbedingt neu. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Anode und Kathode eben nicht aus Metallen bestehen.

Da die Batterie von Polyjoule in einem Rolle-zu-Rolle Verfahren hergestellt wird und in der Weiterverarbeitung auf in der Batteriefertigung standardisierte Stapelverfahren setzt, sind die Herstellkosten gering. Durch die Vorteile bei den Rohstoffen (kein Lithium, Kobalt, Zink usw.) und der Herstellung ist der Preisvorteil gegenüber einer Lithiumionenbatterie erheblich. Der Hersteller spricht von einem Preis pro Kilowatt Speicherkapazität, der nur halb so hoch ist wie bei einer vergleichbaren Lithiumbatterie. Zudem gibt es nicht die Gefahr des Thermal Runaway, der zu den erheblichen Problemen bei Lithium-Batterien führt. Die neigen ab einer bestimmten Sprungtemperatur zur exothermen Erwärmung und Selbstentzündung.

Durch den speziellen Aufbau sind die Kunststoff-Batterien extrem schnell entladefähig (hohe Stromabgabe) und auch erheblich schneller wieder zu laden (Faktor 24x schneller; Herstellerangabe).

Wesentlicher Nachteil ist der erforderliche Bauraum, da die Energiedichte pro Volumeneinheit etwa 3x geringer ist. Für tragbare Anwendungen oder in Mobiltelefonen ist dies also keine Lösung. Deswegen ist der Zielmarkt von Polyjoule auch der Home-storage-Markt. Mit einer Vollzyklen-Anzahl von 12.000 Zyklen (gegenüber ca. 3.000 - 5.000 bei Lithium-Batterien) ist die erwartbare Lebensdauer solcher Solarstrom-Speicher erheblich höher. Der etwa dreifache Platzbedarf könnte durch den günstigeren Preis plus höhere Lebensdauer daher für viele Käufer als verschmerzbarer Nachteil empfunden werden.

Doch nun muß erst einmal der Hersteller beweisen, dass er auch langfristig große Stückzahlen im industriellen Maßstab herstellen kann. Dann jedoch hätte das Spin-Off des MIT gute Chancen, im Heimspeichermarkt für Bewegung zu sorgen.

GF 06.2022