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Gasturbinen – hocheffiziente Alternative zu Kohlekraftwerken

Im März 2022 wird die nächste Bieterrunde zur Bezuschussung von Kraftwerksstilllegungen bei der Steinkohle erfolgen. Nach und nach wurden so seit September 2020 bereits rund 8 GW Stromleistung mit 2 Jahren Übergangszeit verpflichtend vom Netz genommen. Diese fehlende Leistung muß jedoch durch andere Stromquellen gedeckt werden. Bei einem Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 summiert sich dieser Bedarf sogar auf ca. 75 GW insgesamt.

Große Steinkohlekraftwerke sind Lieferanten für die sogenannte Grundlast. Sie produzieren den stets und grundsätzlich vorhandenen Strombedarf. Aufgrund ihrer vergleichsweise trägen Regelstrecke sind sie nicht zum Ausgleich kurzer Bedarfsspitzen geeignet. Für diesen Spitzenstrombedarf werden unter anderem Gasturbinen verwendet. Sie sind in der Lage, vergleichsweise schnell hochzufahren und Leistungen von mehrere zig bis einige hundert Megawatt zu liefern. Bislang wird diese relativ teure Technik nur vereinzelt für die Grundlastversorgung eingesetzt (z.B. Inseln).

Bislang werden in Gasturbinen überwiegend Erdgas oder Methan aus Biogasanlagen verbrannt. Sie sind jedoch prinzipiell auch in der Lage, mit Wasserstoff betrieben zu werden. Allerdings sind die materialtechnischen Anforderungen durch die Wasserstoff-Verwendung nochmals anspruchsvoller wie bei Erdgas oder Kerosin.

Das RWE wird zusammen mit dem japanischen Turbinenhersteller Kawasaki eine erste industrielle Versuchsanlage in Lingen aufbauen. Die Gasturbine soll eine Leistung von 34 MW haben und zu 100% mit (regenerativem) Wasserstoff betrieben werden. Mit dieser Anlage soll die Rückverstromung von durch Elektrolyse gewonnenem Wasserstoff getestet werden. Vor allem soll aber auch getestet werden, wie gut die Schwankungen im Energieangebot ausgeglichen werden können, die durch die fluktuierenden Energiequellen Solar und Wind entstehen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Konsortium um den Versorger Nuon (Vattenfall, Statoil, Gasunie). Am Standort Groningen soll eines der drei 440 MW Gasturbinenkraftwerke umgestellt werden auf reinen Wasserstoff-Betrieb. Das Carbon-Free Gas Power Projekt wird eine Turbine von MHPS (Mitsubishi Hitachi Power Systems) einsetzen und soll ab 2023 ca. 1,3 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Auch Unternehmen wie Siemens Energy oder MTU arbeiten daran, Turbinen für den Betrieb mit reinem Wasserstoff fit zu machen. So haben beispielsweise die Stadtwerke Leipzig zwei Gasturbinen bei Siemens bestellt, die ab Anfang 2023 zunächst mit Erdgas betrieben werden und dann sukzessive immer mehr auf Wasserstoff umgestellt werden sollen. Die elektrische Leistung der Turbinen beträgt 145 MW, dazu kommt eine thermische Leistung von 163 MW. Durch Kraft-Wärme-Kopplung (Fernwärme) erreicht man enorm hohe Systemwirkungsgrade. Der Flugzeugmotorenhersteller MTU konzentriert sich bei seinen Entwicklungen auf eine Optimierung der Fluggasturbine, sieht aber auch Chancen bei anderen Anwendungen.

International rangiert auch GE Gas Power mit in den vordersten Rängen bei der Entwicklung einer Stromwirtschaft, die auch auf Gasturbinen basiert. Unternehmen wie Aurelia Turbines hingegen decken den Markt der Mikroturbinen für dezentrale Stromversorgung von Microgrids ab.

Gasturbinen sichern in einem Umfeld relativ stark schwankender, dezentraler Energiequellen die Versorgung mit Grundlast-Strom. Sie können sich vergleichsweise schnell an das fluktuierende Angebot an Strom aus Wind und Solar und den schwankenden Strombedarf von Haushalten und Industrie anpassen. Mit regenerativ gewonnenem Wasserstoff betrieben sind sie prinzipiell umweltneutral und unterstürzen damit die Anstrengungen, das Klimaziel <2°C Erwärmung zu erreichen.

© Gerald Friederici 12/2021