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Klimawandel - eine deutsche Aufgabe?

Die Reihe der internationalen klimapolitischen Absichtserklärungen ist lang. Das Kyoto-Klimaabkommen stammt aus dem Jahre 1997, Paris ist 2015 ein weiterer Meilenstein in der Klimapolitik. Doch erst jetzt wird international immer bewusster, dass der Klimawandel keine weitere Verzögerung zulässt, will man den Enkeln und Urenkeln eine Welt hinterlassen, die lebenswert bleibt. Der Europäische „Green Deal“ aus 2020 legt nun konkrete Ziele fest, die ähnliche den sind, die viele anderer Industrienationen weltweit ebenfalls definiert haben.

Das Jahr 2030 wird ein Datum sein, an dem man Staaten daran messen kann, wie sehr sie ihre Zusagen erfüllt haben. Und da inzwischen zusätzlich ein regelrechter Wettbewerb entstanden ist, wer als „Erster“ diese Ziele erreicht hat, steigt der Druck, nationale Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings führt diese „Fokussierung“ rein auf die lokale, innerstaatliche Erfüllung der Ziele dazu, dass der größere, weltweite Zusammenhang aus den Augen verloren gehen kann.

Wegen der nachvollziehbaren wirtschaftlichen Bestrebungen vieler Schwellenländer, die Differenz zum Wohlstand der Ersten Welt zu reduzieren, entsteht dort ein immer rascher steigender Energiehunger. Das Riesenreich China gibt dabei die Richtung vor und stößt alleine ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen aus. Viele Länder wie Indien, Pakistan, der gesamte Afrikanische Kontinent und Südamerika stehen jedoch erst an der Schwelle zur massiven Industrialisierung. Zusätzlich werden in den kommenden 30 Jahren weitere 2,5 Milliarden Menschen hinzukommen, deren zusätzlicher Energiebedarf ebenfalls gedeckt werden muss.

Vor diesem Hintergrund alle Maßnahmen bei den selbst auferlegten Klimaziele nur auf die innerdeutsche Erfüllung zu beschränken missachtet den Umstand, dass Klima keine Grenzen kennt. Ähnliches gilt auch für die Europäische Klimapolitik. Während Amerika und Europa es sich leisten können, ein dichtes Netz an Ladestationen aufzubauen, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen, sind solche Strukturen in ärmeren Ländern undenkbar. Deswegen wird nicht nur der heutige Verbrenner-Fahrzeugbestand in der Ersten Welt noch 10-12 Jahre das Straßenbild mitprägen, sondern, durch den Wunsch nach Mobilität in den aufstrebenden Ländern der Zweiten und Dritten Welt befeuert, werden die dann hier ausrangierten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dort dankbar aufsaugt und weiterverwendet.

Auch ein Abbau der Atomenergie und ein Ausstieg aus der Kohle-Verstromung kann für Deutschland unter Schmerzen gelingen - viele Länder auf der Welt haben diese Möglichkeit weder jetzt, noch in der näheren Zukunft und vor allem nicht ohne bezahlbare Alternative. Deutschland ist eingebunden in eines der dichtesten Stromnetze der Welt. Fehlt bei uns mal Strom, weil der Wind Pause macht und ein trüber Himmel den Solarstrom gegen Null fahren lässt, können wir uns noch immer bei unseren Nachbarn am Strommarkt bedienen. Diese komfortable Situation gibt es weltweit nur wenige weitere Male.

Vor allem aber ist der Beitrag, den die Abermillionen Euro schwere Förderprogramme für die nationale Klimaneutralität haben, für das weltweite Klima gesehen verschwindend gering. Es macht keinen Sinn, die bislang etwa 70% importierte Energie in Form fossiler Brennstoffe durch ausschließlich lokal gewonnene Energie zu ersetzen. Neben der tatsächlichen Unmöglichkeit, den gesamten Primärenergiebedarf (Strom plus Wärme plus Verkehr/Industrie) Deutschlands lokal zu decken, würde eine solche Vorgehensweise auch verhindern, dass der Export erfolgreicher Entwicklungen im Bereich regenerativer Energie angeregt wird.

Im Äquatorbereich kann die Solarenergie oder an Chiles ewig langen Küste die Windenergie einen erheblich effizienteren Beitrag zur Klimaneutralität der Welt leisten wie mehr und mehr Windkraftanlagen und Solarfelder in Deutschland. Doch dafür muss es Anreize geben, damit Staaten und Unternehmen dazu bereit sind, den steinigen Weg vertrauensvoller internationaler Zusammenarbeit zu gehen. Nicht vergessen darf man dabei, dass es eine solche Kooperationen in Sachen „Energie“ an sich schon lange gibt. Die Energieträger Erdgas und Erdöl werden von wenigen Orten auf der Erde in großen Mengen weltweit verteilt.

Für Produkte (Wasserstoff, Methanol, Ammoniak, etc.), die mit Hilfe von regenerativer Energie hergestellt werden können, müssen sich diese Kunden-Lieferantenbeziehungen erst noch formieren. Jedoch kann in Folge solcher, zum Teil neuer Handelsbeziehungen, der Export von erfolgreicher Technologie zur Gewinnung grüner Energie durchaus eine Win-Win-Situation für beide Handelsparteien darstellen und Arbeitsplätze auf beiden Seiten schaffen bzw. sichern.

Was kann Deutschlands Beitrag sein zur angestrebten Klimaneutralität 2050?

Nun, Deutschland ist ein Hochtechnologieland, das zudem noch immer ein reiches Land ist. Um die Klimaneutralität zu erreichen, braucht es technische Entwicklung, neue ökonomische Ansätze bei der Anreizschaffung, ein besserer integrierter Kreislaufgedanke und vieles mehr. Bei so komplexen Aufgaben kommt es auch zu Fehlentwicklungen und Missbrauch. Doch es ist besser, wenn in Deutschland bzw. Europa solche Fehler gemacht werden wie in jedem einzelnen Land, das gerade einen höheren Lebensstandard anstrebt. Wenn aus den Fehlern gelernt wird, wie es besser gemacht werden kann, ist das nicht nur ein Gewinn für den Export erfolgreicher Technologie, sondern auch einer für das Weltklima.

Neben der gerade expandierenden Wasserstoff-Technologie mit ihren Optionen, durch hoch komprimierten oder tiefgekühlten Wasserstoff die regenerative Energie speicherbar und transportabel zu machen, gewinnt auch zum Beispiel die Methanol-Technik mehr und mehr an Bedeutung. Einerseits ist die Herstellung von synthetischen Brennstoffen eine denkbare Lösung für die zahllosen Verbrenner-Motoren, die nicht gleich durch Batteriespeicher-Fahrzeuge oder Brennstoff-Zellen ersetzt werden können. Andererseits kann man Methanol nicht nur aus grünem Wasserstoff herstellen.

Die auch in vielen Entwicklungsländern in großen Mengen anfallenden Biomassen können immer effizienter entweder direkt in Strom umgewandelt werden oder in Form von Methan/Methanol genutzt werden. Dazu ist weder Hightech noch eine hochintegrierte Industrielandschaft notwendig! Dies sind optimale Voraussetzungen, damit solche Technologien auch in weniger entwickelten Ländern erfolgreich zur Energiegewinnung und -speicherung eingesetzt werden können.

Deutschlands Beitrag kann und muss die Entwicklung von Technologien, jedoch auch von Prozessen sein, die geeignet sind, Staaten, Unternehmen und einzelnen Menschen zu befähigen, einen geringstmöglichen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Das dieser Beitrag weder reiner Selbstzweck noch eine ökonomische Katastrophe ist, entdecken mehr und mehr Unternehmen und stellen ihr Geschäftsmodell auf diese Anforderungen um. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass zwar etliche Arbeitsplätze im Laufe der Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft verloren gehen, dass aber dabei dennoch mehr neue Arbeitsplätze entstehen werden.

Ein Problem bei der kommenden Transformation von einer aus fossilen Energie gespeisten Gesellschaft in eine nachhaltig wirtschaftende Menschheit ist gewiss der Faktor Zeit. Was in den vergangenen 30 Jahren durch Diskussionen darüber, ob die Klimaerwärmung wirklich menschengemacht ist, an Zeit verloren ging, soll jetzt binnen einem Jahrzehnt aufgeholt werden. Doch was technisch eventuell umsetzbar wäre ist lange noch nicht politisch und gesellschaftlich umgesetzt. Das Beispiel Stromübertragungsnetze zeigt deutlich, welche Hindernisse bereits seit Jahren die Transformation verlangsamen. Ebenso die 10H-Regel in Bayer, die faktisch den Windkraftanlagen-Ausbau lahmgelegt hat. Oder der eklatante Mangel an Speichermöglichkeiten für die Wasserkraft durch gesellschaftliche Blockaden.

Noch sind ausreichend grundlastfähige, also permanent Strom liefernde Kraftwerke im Betrieb. Doch was wäre, wenn man den Forderungen nach einer alsbaldigen Abschaltung alle Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke innerhalb der nächsten Jahre nachkäme? Wie gut ist dann noch die so wichtige „Versorgungssicherheit“ gewährleistet?

Es liegt noch nicht einmal unbedingt am fehlenden Umwelt-Engagement, das man so manchen Lobbisten oder Politiker unterstellen mag. Es fehlt zurzeit noch schlichtweg zu einem guten Teil die großtechnische und großindustrielle Umsetzung der benötigten Technologien. Schon ein massiver Ausbau der altbekannten Windkraftanlagen würde die Hersteller und Zulieferer schnell an ihre Kapazitätsgrenze führen. Auch der als Energiespeicher hochgepriesene Wasserstoff, der kurzfristige und saisonale Dunkelphasen ausgleichen soll, kann bislang noch nicht mal ansatzweise in den eigentlich benötigten Mengen regenerativ gewonnen werden. Auch fehlt es noch völlig an der zuverlässigen, bezahlbaren Technologie, diesen Wasserstoff deutschland(europa-)weit zu den Verbrauchern transportieren. Dieses Logistiknetz aufzubauen wird Jahre dauern, auch wenn man Teile des vorhandenen Erdgasnetzes dafür nutzen kann (Wasserstoff diffundiert in Metalle hinein und kann bei Stahl einer Versprödung hervorrufen – dieses Phänomen kennt man vom Erdgas nicht).

Alle für die Wasserstoff-Wirtschaft benötigten Prozesse befinden sich derzeit in der Erprobung und Entwicklung. Das beginnt bei der Brennstoffzelle und geht über den Elektrolyseur bis zu der Lagerung von komprimierten Wasserstoffgas in riesigen Speicherkavernen, wo bislang Erdgas gelagert wurde. Keinesfalls kann man jedoch davon reden, dass binnen weniger Jahre ein massiver Aufschwung möglich sein wird, der auch nur den Zuwachs an neuem Energiebedarf weltweit kompensieren kann.

Die Schlüssel zu einer effizienten GHG- Reduktion sind – vor allem auch für Schwellenländer, die ihre Energie sonst mit Kohlekraftwerken decken müssen - erprobte und zuverlässige Technologien. Kein privater Investor wird Geld hergeben für eine Technik, die eventuell binnen weniger Jahre obsolet sein wird (Gasturbinen-Kraftwerke auf Erdgasbasis) oder für Technologien, die keine Chance haben, jemals einen wirtschaftlichen Gewinn abzuwerfen. Deswegen sind auch viele nationale- und internationale Forschungs- und Entwicklungsprogramme von der öffentlichen Hand aufgelegt – denn längst nicht jede Entwicklung führt zum wirtschaftlichen Erfolg. Allerdings trägt selbst eine solche Forschung – international geteilt - dazu bei, dass diese Fehlentwicklung nicht in den verschiedenen Ländern nochmal und nochmal gemacht wird. Und erfolgreiche Technologien können zum Verkaufsschlager werden und wirtschaftlichen Aufschwung mit sich bringen.

Es wird ein spannendes Jahrzehnt bis 2030. Gewiss werden viele neue, brillante Ideen auftauchen, seien es bessere Batterien, vielleicht doch noch der Durchbruch bei der Kernfusion oder sehr sichere, CO2-freie Mikroatomkraftwerke mit deutlich reduzierten Mengen an Atommüll. Mit Sicherheit wird der Druck, schnell etwas an der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen zu ändern, immer größer werden. Bei allen Diskussionen sollte jedoch immer klar sein: reines aufeinander Einschlagen löst das zugrunde liegende Problem nicht. Die Fähigkeit zu konstruktiven Vorschlägen, vernünftiger, faktenbasierter Zusammenarbeit und die Fähigkeit, auch eigene Fehler manchmal einzugestehen, sind mehr denn je bei diesem Mammutprojekt gefragt. Deutschland kann diese Aufgabe nicht alleine erfüllen und muß es auch nicht. Denn auch wenn Deutschland das Land mit dem drittgrößten Bruttosozialprodukt der Welt ist, repräsentieren die 83 Millionen Einwohner nur 1% der Weltbevölkerung. Länder wie Indien, China oder der ganze afrikanische Kontinent stehen vor einer viel gewaltigeren Aufgabe, denn der Energiehunger von über 4 Milliarden dort lebenden Menschen ist gewaltig. Er wird zur Zeit noch überwiegend durch Atom- und Kohlekraftwerke gedeckt. Hunderte neue Kraftwerke sind im Bau oder Planung, um den weiter steigenden Energiebedarf zu decken. Die Vorreiterrolle von Deutschland in der Klimapolitik mag angesichts dieser Dimensionen zwar wahrgenommen werden, eine Vorbildfunktion kann es aus zwingenden Sachgründen jedoch kaum geben.

Deutschlands Beitrag ist nicht eine Reduktion der eigenen GHG-Emissionen auf Biegen oder Brechen, sondern die Entwicklung, Erprobung und Verbesserung von geeigeneten Technologien und Verfahren, um Andere in die Lage zu versetzen, ihre Green House Gase zu reduzieren. Dass, im Rahmen einer solchen Entwicklung, auch die deutschen GHG-Emissionen zurückgehen werden ist ein gewollter, aber begleitender Effekt.

10/2021 Copyright Gerald Friederici


ISA - International Solar Alliance (Leitung: Indien) 
Nutzung der Solarenergie für Energiewende, One Sun One World One Grid