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Hohe Energieleistung lokal gespeichert – Schwungrad-Speicher

Das Problem ist bekannt: Ladestationen für Elektrofahrzeuge sollen schnellladefähig sein, damit zukünftig E-Fahrzeuge ähnlich wie bei Tesla binnen Minuten aufgeladen werden können. Doch bei gleichzeitiger Belegung mehrere Ladesäulen muß eine enorm große Anschlußleistung zur Verfügung gestellt werden. Das verkraftet das am Standort vorhandene elektrische Netz oft nicht, denn nur an den Autobahnraststätten ist regelmäßig ein Mittelspannungsanschluß vorhanden.

Besonders in Innenstädten ist das vorhandene elektrische Netz nicht für punktuelle und kurzzeitige Leistungsspitzen ausgelegt. Ein Ausbau wäre enorm kostspielig oder auch unmöglich. Deswegen werden an vielen Standorten, an denen gleich mehrere Ladesäulen auch Hochstromladefähigkeit anbieten, Energiepuffer integriert (Quartierspeicher). Diese werden in verbrauchsschwachen Zeiten aufgeladen, wenn das Netz ausreichend Energie liefern kann. Dieser Ladevorgang erfolgt eher langsam und länger. In Spitzenzeiten (z.B. Laden abends nach Feierabend) können diese lokalen Puffer dann die kurzfristig benötigte Energiemenge liefern, ohne dass die Netzinfrastruktur für diese kurzfristigen Peaks ausgelegt sein muß.

Neben Lithium-Ionen-Batteriebänken ist eine weitere Technologie durchaus vielversprechend: die Speicherung elektrischer Energie in einem Schwungrad (Kinetic Battery).

Das Prinzip des Schwungrades ist bereits sehr alt und findet sich vor allem in den Anfängen der Industrialisierung. Durch sie wurden die Hubbewegungen der Dampfmaschinen mit ihren Leistungslücken in gleichmäßige Kraftströme umgewandelt. 

Moderne Schwungrad-Energiespeicher arbeiten mit bewegten Massen im Vakuum und bei sehr viel höheren Drehzahlen. Die Massen des israelischen Startup Chakratec zum Beispiel drehen mit 16.000 Umdrehungen pro Minute im Vakuum. Mit diesen Flying Wheels können sie aktuelle 150 kW-Schnellladestationen boosten und reduzieren die Anschlußleistung solcher Ladestationscluster. Im Idealfall ist keine Änderung an der vorhandenen urbanen elektrischen Infrastruktur notwendig. Aber auch Unternehmen können so Ladesäulen mit Schnelladefähigkeit anbieten, ohne dass ein Netz-Upgrade notwendig wird.

Der wesentliche Vorteil von Schwungmassespeichern ist ihre enorme Zyklenfestigkeit. Mehrere Ladevorgänge pro Tag verkürzen die Lebensdauer von chemischen Speichern wie Lithiumionenbatterien erheblich. Flying Wheel Speicher dagegen können 10 - 12 Ladevorgänge täglich unterstützen und bieten 200.000 und mehr Ladezyklen – moderne Lithiumbatterien schaffen dagegen nur 3000 bis 5000 Zyklen, müssten also sehr viel früher ausgetauscht werden. Daher sind Speicher für kinetische Energie auch erheblich umweltfreundlicher für solche Anwendungen, in denen täglich mehrere Ladezyklen benötigt werden.

Der Gesamt-Wirkungsgrad liegt bei über 80% und ist damit vergleichbar mit Energiespeichern aus Lithiumionenbatterien. Da kinetische Energiespeicher ohne das Nachliefern von Energie durch Reibungsverluste mit der Zeit ihren kompletten Energiegehalt verlieren (Drehung stoppt), ist der Einsatz vor allem dort sinnvoll, wo mehrmals pro Tag eine hohe Leistung benötigt wird. Bei diesen Anwendungen sind kinetische Speicher dann jedoch weitgehend konkurrenzlos, da sie hohe Zyklenzahl mit langer Lebensdauer kombinieren.

Noch ist die Anzahl an Anbietern überschaubar. Das liegt natürlich auch dran, dass erst jetzt vermehrt Anwendungen auftauchen, in denen Kurzzeitspeicher wie Kinetische Speicher ihre Vorteile ausspielen können. Allerdings ist bei Schwungradspeichern zusätzlich die Energiedichte recht gering, so dass man ausschließlich stationäre Speicher damit wird aufbauen kann. Die Anlage von Chakratec benötigt einen 10-Fuß-Container und kann daraus eine Leistung von 50 kW abgeben. Trotz der nahezu unbegrenzten Skalierbarkeit ist kaum vorstellbar, dass an Ladestationen mit z.B. 10 Ladestationen á 125 kW die Hälfte der Maimalleistung (=625 kW) durch Schwungradspeicher abgepuffert wird – denn Platz für zwölf 10-Fuß Container ist meist nicht vorhanden – neben den hohen Investitionskosten.

Fazit

Es bleibt daher abzuwarten, ob fallende Batteriepreise, die Weiterentwicklung von Supercaps oder die Etablierung von Redox-Flow-Batterien nicht eher die Entlastung des lokalen Netzes an Ladezentren übernehmen werden.

Nachtrag: Audi möchte nachmachen, was TESLA bereits seit Jahren praktiziert. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur konzentriert sich bei den Ingolstädtern auf Schnelllade-Stationen. Mit dem langsamen Hochlaufen der Altbatterie-Stückzahlen können HPC-Ladepunkte aufgebaut werden, die ohne Hochspannungseinspeisung ans das öffentliche Netz angeschlossen werden können. Die aus alten Elektrofahrzeugen stammenden Batterien erhalten hier ihr Second Life und können Ladeleistung vorhalten. Das ermöglicht High-Power-Charging Punkte mit bis zu 300 kW Leistung. Am Pilotstandort in Nürnberg soll die installierte Batterie-Energie (ca. 2,5 MWh) für deutlich mehr als 50 Schnelladungen pro Tag reichen. Mit zunehmender Elektrifizierung des Verkehrs werden auch die Stückzahlen der für ein Second Life einsetzbaren Batterien steigen und so mehr und mehr HPC-Stationen auch in infrastrukturell schwachen Gebieten ermöglichen. Sollte das Prinzip Schule machen, wären Schwungradspeicher um ein weiteres Argument für ihren Einsatz ärmer: Pufferung des Energiebedarfs beim Laden zur Vermeidung des Netzausbaus auf den erwartbaren Spitzenbedarfs.

© Gerald Friederici 08/2021