Die Welt braucht Stickstoffdünger – aber nicht hergestellt nach dem Haber-Bosch-Verfahren!
Konventionelle Stickstoffdünger werden mithilfe des Haber-Bosch-Verfahrens hergestellt, das auf fossilen Brennstoffen, insbesondere Erdgas, basiert. Dies ist problematisch, da weltweit dabei pro Jahr etwa so viel Treibhausgase freisetzt werden wie von ganz Deutschland. Ausserdem schafft es auch eine Abhängigkeit von wenigen Erdöl- und Erdgas produzierenden Länder, für die die Herstellung von Plastik und eben Dünger ein einträgliches Geschäft ist und die sich deswegen auch gegen einschneidende Änderungen in der Düngemittelproduktion wehren. Glücklicherweise gibt es dennoch eine Reihe von Projekten und Entwicklungen, die sich darauf konzentrieren, alternative, nachhaltigere Wege zur Stickstoffdüngung zu finden.
Die Nachteile des bisher eingesetzten Haber-Bosch-Verfahrens
Das Haber-Bosch-Verfahren, 1909 von Fritz Haber entwickelt und später von Carl Bosch industrialisiert, ist für die Produktion von Ammoniak (NH3) aus atmosphärischem Stickstoff (N2) und technisch gewonnenem Wasserstoff (H2) verantwortlich. Dieses Ammoniak ist eine der am häufigsten hergestellten Grundchemikalien weltweit und ist der Grundstoff für die meisten Stickstoffdünger.
Der Hauptnachteil dieses Verfahrens ist die enorme Energieintensität und die damit verbundene Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Zudem wird der zur Reaktion benötigte Wasserstoff fast ausschließlich durch die Dampfreformierung von Erdgas (CH4) gewonnen, wobei große Mengen an CO2 freigesetzt werden. Dies macht die Düngemittelproduktion zu einem bedeutenden Treiber des Klimawandels.
Moderne und alternative Verfahren
Angesichts der genannten Herausforderungen suchen Wissenschaftler und Unternehmen nach nachhaltigeren Wegen, um die Stickstoffversorgung der Landwirtschaft zu sichern. Die Lösungsansätze lassen sich grob in biologische und technische Methoden unterteilen. Hier sind drei Beispiele (es gibt noch deutlich mehr Ansätze):
Biologische Methoden
Die Natur hat bereits eine elegante Lösung für die Stickstofffixierung: biologische Stickstofffixierung. Bestimmte Mikroorganismen, sogenannte diazotrophe Bakterien, können atmosphärischen Stickstoff in Ammoniak umwandeln. Dieses Verfahren erfordert zwar auch Energie, jedoch in geringerem Umfang und ohne die Emission von Treibhausgasen.
- Rhizobien und Hülsenfrüchte: Eine der bekanntesten Symbiosen ist die zwischen Rhizobien-Bakterien und Hülsenfrüchten (Leguminosen), wie Erbsen, Bohnen und Klee. Die Bakterien siedeln sich in den Wurzelknöllchen der Pflanzen an und versorgen diese mit Stickstoff, während sie im Gegenzug Kohlenhydrate von der Pflanze erhalten.
- Arbeiten von Mariangela Hungeria: Die brasilianische Agrarwissenschaftlerin Mariangela Hungeria hat maßgeblich zur Erforschung der Stickstofffixierung bei Sojabohnen beigetragen. Sie entwickelte eine optimierte Bakterienkultur, die es brasilianischen Sojafarmern ermöglicht, fast vollständig auf synthetische Stickstoffdünger zu verzichten. Ihre Arbeit hat gezeigt, dass die sorgfältige Auswahl und Anwendung spezifischer Bakterienstämme die landwirtschaftliche Produktivität steigern kann, ohne die Umwelt zu belasten.
- Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg forscht ebenfalls an innovativen, biologischen Stickstoffdüngern. Ein Team um den Biologen Dr. Thomas Dreher arbeitet an der genetischen Optimierung von Stickstoff-fixierenden Bakterien und der Entwicklung von Bakterienkulturen, die auch bei anderen Nutzpflanzen, wie Getreide, eine Symbiose eingehen können. Ziel ist es, die natürliche Stickstofffixierung auf Nicht-Hülsenfrüchte auszuweiten und somit eine breitere Anwendung zu ermöglichen.
Daneben ließen sich zahlreiche landwirtschaftliche Methoden wie an lokale Gegebenheiten angepasste Sorten, Gründüngung, Fruchtfolgewechsel und ein effizientes Wassermanagement benennen. Die Direktsaat zum Beispiel vermeidet eine massive Bodenbearbeitung, denn das Pflügen führt zu einem Wasserverlust (Verdunstung), Verlust der Bodenstruktur (und Bodenkultur), dem Entweichen von Kohlenstoff und einem Verlust an Nährstoffen (Auswaschung).
Technische Verfahren
Neben den biologischen Möglichkeiten gibt es auch technische Ansätze, die den Haber-Bosch-Prozess ersetzen oder modifizieren wollen.
- Elektrochemische Ammoniaksynthese: Dieses Verfahren nutzt erneuerbare Energien (z. B. Solar- oder Windenergie), um Wasserstoff und Stickstoff bei niedrigeren Temperaturen und Drücken in Ammoniak umzuwandeln. Da der Prozess elektrisch betrieben wird, entfällt der Bedarf an fossilen Brennstoffen. Die Herausforderung besteht darin, die Effizienz des Verfahrens zu steigern, um es wirtschaftlich tragfähig zu machen. Der Vorteil ist, dass regenerativ gewonnener elektrischer Strom dafür genutzt werden kann.
- Nutzung von Asche aus Biomasse-Kraftwerken: Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Wiederverwertung von Nährstoffen. Die Asche aus Holzschnitzelkraftwerken ist reich an Mineralien, die ursprünglich im Holz gespeichert waren, darunter Kalium, Phosphor und in geringeren Mengen auch Stickstoff. Die Verwendung dieser Asche als Dünger schließt den Nährstoffkreislauf und reduziert die Abhängigkeit von neu produzierten Düngemitteln. Dies ist ein hervorragendes Beispiel für eine Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft.
Im Bewusstsein, dass die Einnahmen aus dem Ölgeschäft bis 2050 schwinden werden, treiben die Erdöl-produzierenden Länder den Kauf von Elektrolyse-Leistungen (H2) voran und sichern sich so einen Platz im zukünftigen Energiemarkt und bei der Düngemittelproduktion (Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung).
Stickstoffdünger ernährt die Welt – aber er trägt auch zu einem unerwartet hohen Maß zur Klimaerwärmung bei
Die Abkehr von fossilen Brennstoffen bei der Stickstoffdüngerproduktion ist eine entscheidende Notwendigkeit für den Klimaschutz und die Ernährungssicherheit (Vermeidung von Extremwetter und Wüstenbildung). Zukünftige landwirtschaftliche Praktiken werden wahrscheinlich eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen nutzen, um die Nährstoffversorgung sicherzustellen: Die biologische Stickstofffixierung durch optimierte Bakterienkulturen und Symbiosen, die technologische Neuentwicklung von Ammoniak-Synthese-Verfahren, die auf erneuerbaren Energien basieren, sowie die effiziente Wiederverwertung von Nährstoffen aus organischen Abfallprodukten. Die Forschung von Persönlichkeiten wie Mariangela Hungeria und Institutionen wie der Universität Freiburg leistet hierbei einen wichtigen Beitrag und zeigt, dass eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft nicht nur möglich, sondern bereits in greifbarer Nähe ist.
Beitrag dazu: https://youtu.be/-Re2X5gOSwI