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Lösungsansätze für die Lebensmittelversorgung

In nur 30 Jahren, so schätzt man, werden in den riesigen Ballungsräumen großer Städte ähnlich viele Menschen leben wie heute auf der ganzen Welt.

Die nicht mehr wesentlich steigerbaren landwirtschaftlichen Flächen werden diese Menschen 2050 nicht mehr ausreichend ernähren können, denn es wird dann zusätzlich etwa 50% der heutigen Protein-Menge benötigt. Ausserdem wird neben dem Ackerboden in vielen Ländern auch die Ressource Wasser knapp werden. Bereits heute konkurrieren ganze Staaten um diesen wertvollen Schatz.

Um die Versorgung der steigenden Bevölkerung mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln zu gewährleisten, sind neue Ideen und Konzepte notwendig. Immer größerer Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und gentechnisch optimierten Pflanzen ist dabei langfristig nicht zielführend. Eines der auf Nachhaltigkeit angelegten Konzepte geht auf Ideen zurück, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden: Anbau von Pflanzen unter möglichst vollständig kontrollierten Umweltbedingungen.

Bereits damals überlegten die Forscher, wie man Obst, Gemüse und andere Nahrungsmittel-Pflanzen in möglichst geschlossenen Kreisläufen unter optimierten Bedingungen produzieren könnte. Optimiert bedeutet in diesem Fall eine weitgehende Kontrolle des Klimas, des CO2-Gehalts der Luft, der Wasser- und Nährstoffzufuhr und vor allem des Lichts (hermetisches Thermogewächshaus). 

Was im Freiland weitgehend kostenlos zur Verfügung steht, muss beim sogenannten Indoor-Farming zum Teil mit erheblichen Energieeinsatz reproduziert werden. Die flächenbezogene Ertragsmenge ist beim Indoor-Farming ein Vielfaches vom Freilandanbau. Dennoch belasten die Kosten für Klimatisierung und Beleuchtung die Bilanz erheblich.

Besonders in Großstädten lohnt sich das Konzept dennoch zusehends. Denn Transportkosten sowie Verluste durch verdorbene Waren fallen bei Produktion der pflanzlichen Nahrungsmittel innerhalb der Stadt erheblich weniger an. Die Produktion kann außerdem – gesteuert über Licht und Nährstoffzufuhr – sehr zeitnah und genau an den Bedarf des Abnehmermarktes angepasst werden, was bei der Freilandkultur deutlich schwerer zu erreichen ist.

Besonders das Vertical Farming   (Protected Enviroment, Rooftop Growing) bringt in Großstädten erhebliche Platzvorteile, da man in etlichen Etagen übereinander anbauen kann. 

Herausforderung Energiebedarf bei Indoorfarming und Vertical Farming

Wo natürliche Beleuchtung nicht möglich oder auch konstruktiv nicht zu realisieren ist, werden heute zunehmend energiesparsame LED-Lampen mit spezifische Lichtspektren eingesetzt. Denn darüber lassen sich Geschwindigkeit, Geschmack und Größe der Früchte beeinflussen. Auf diese Weise ist eine "punktgenaue" Lieferung an z.B. Großmärkte möglich - was bei Freilandanbau immer mit gewissen Risiken verbunden ist.
 Obwohl die Beleuchtung mit LED`s bereits recht effizient ist, verbrauchen Lichtmanagement und Klimatisierung noch immer nahezu 95% der elektrischen Energie. Nicht nur Hersteller wie Heliospectra oder andere Mitglieder der AVF (Association of Vertical Farming), sondern viele Forschungsinstitute und Produzenten weltweit arbeiten daran, diesen wirtschaftlichen Nachteil gegenüber Freilandanbau zu minimieren.

Das Großkonzerne wie Philips, Samsung, Cree oder Osram mittlerweile Hunderte von Mitarbeiter speziell in diesem Bereich beschäftigen, bestätigt die Annahme von Analysten. Die gehen davon aus, dass der Markt an Leuchtdioden in Landwirtschaft und Gartenbau von ca. 1 Milliarde Dollar in 2020 auf auf knapp 4 Milliarden Dollar in 2027 ansteigen wird. Dennoch steht man noch am Anfang und Effizienzpotentiale im Indoorfarming sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Denkansätze für alternative Nahrungsmittelproduktion

2017 schrieb der Guardian, dass etwa 70% der weltweit vorhandenen Ackerfläche für die Tierhaltung genutzt wurden. Die Folgen wie Abholzung, Verlust an Bio-Vielfalt und die Wasserverschmutzung sind in vielen Ländern ein massives Problem. Alternativen werden immer dringender notwendig, um ausreichend hochwertige Lebensmittel auf der begrenzen landwirtschaftlichen Nutzfläche herstellen zu können. Zusätzlich führt der Klimawandel in immer mehr Regionen der Erde zu massiven Veränderungen und Verlusten an nutzbarer Ackerfläche.

Die Effizienzsteigerung durch eine kontrollierte Wachstumsumgebung (Gewächshaus, Indoor-Farming) ist eine der Möglichkeiten dazu. Jedoch ist sie nicht nur auf Gemüse und einige Früchte wie Erdbeeren beschränkt. Der nächste Schritt ist die Aquaponische Farm. Der fast schon geschlossene Kreislauf (natürlich muss man die entnommene Biomasse ausgleichen) verbindet das Pflanzenwachstum ohne Erde mit der Aufzucht von Fischen. Die Pflanzen schwimmen z.B. auf Wasserbecken, in denen Fische leben. Deren Ausscheidungen sind Dünger für die Pflanzen, während umgekehrt die nicht verwertbaren Pflanzenreste zu Futter für die Fische werden. Das Wasser kann nach Aufreinigung wiedereingesetzt werden, was den Bedarf an Frischwasser deutlich reduziert. Solche Anlagen können selbst weit ab vom Meer und in klimatisch trockenen Gebieten eingesetzt werden.

Bereits längere Zeit sind Onshore Fischfarmen im Einsatz, die weitgehend unabhängig von klimatischen Einflüssen Fisch in Massen produzieren. Damit bei einer so konzentrierten Haltung nicht massiv mit Medikamenten gegen die Ausbreitung von Krankheiten gekämpft werden muss, sind solche Anlagen extrem hygienisch zu betreiben. Die massive Bestrebung, Fleisch von Kühen oder Schweinen durch Fischfleisch zu ersetzen, beginnt gerade erst.

In etlichen Gebieten der Erde ist es durchaus üblich, Insekten als Protein-Quelle zu nutzen. Derzeit werden weltweit Versuche unternommen, im industriellen Maßstab Insekten zu produzieren und durch z.B. Gefriertrocknen haltbar zu machen. Eine wesentliche Idee dahinter ist, den wachsenden Bedarf an hochwertigem Futtermittel für Nutztiere wie Kühe und Schweine damit zu decken und dadurch den Druck auf die derzeit genutzten Proteinquellen zu reduzieren. Denn ein immer größerer Anteil der Menschheit kommt "auf den Geschmack von Fleisch". Damit dafür nicht immer größere Flächen gerodet und zu Weidefläche umgestaltet werden bzw. Nahrungsmittel wie Mais oder Fische zur Futterversorgung eingesetzt werden müssen, versucht man Insekten massenhaft herzustellen. Ihr schnelles Wachstum, die Anspruchslosigkeit und die hohe Fruchtbarkeit unter optimalen Bedingungen stellt dabei gute Voraussetzungen für diesen Prozess bereit. Zudem ist der Flächenbedarf sehr gering.
Unternehmen wie z.B. Bühler und Protix entwickeln daher seit einigen Jahren Verfahren, um eine industrielle Herstellung von Insektenprotein zu realisieren. Ziel ist es, aus geringwertigen Proteinen (Abfall) mit einem minimalen Impakt auf die Umwelt hochwertige Proteine (Futtermittel) herzustellen. Dazu werden Nebenprodukte aus der Landwirtschaft, Abfälle aus industriellen Prozessen (z.B. Schälabfälle) und Lebensmittelabfälle (z.B. Altbrot) als Nahrungsgrundlage für z.B. die Larven der schwarzen Soldatenfliege verwendet. Die Effizienz der Insekten zeigt sich darin, dass sie weniger als ein Zehntel der Biomasse brauchen im Vergleich zur Schweinemast, um die gleiche Menge hochwertiger Proteine zu erzeugen. Allerdings sind Probleme der massenhaften Haltung von Insekten z.T. noch unbekannt. So ist fraglich, ob man ohne Medikamente auskommen kann. Ausserdem benötigt man für aus Insekten gefertigte hochwertige Produkte auch hochwertige Nahrungsmittel für die Insekten - also beileibe kann nicht jeder x-beliebige Abfall verwendet werden.

Etwas futuristisch, jedoch längst erprobt, ist die Züchtung von Muskelfaser. Diese werden in Nährstoffkulturen angesetzt und vermehren sich dort. Das Ergebnis ist eine Fleischmasse, die zwar nicht von einem geschlachteten Tier stammt, aber ihm doch sehr ähnlich ist. Auch bei dieser Methode ist das Ziel, durch optimierte Rahmenbedingungen und unter Einsatz von Ressourcen, die nicht unsere Lebensmittelproduktion beeinträchtigen, große Mengen an Nahrung der wachsenden Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Algen gehören ebenfalls zu den Hoffnungsträgern bei der Herstellung von Biomasse. Unternehmen wie Algama, Frankreich, entwickeln dabei die Technik, spezielle Algen großtechnisch und günstig zu züchten. Diese Algen sind einsetzbar als Lebensmittel, als Futtermittelzusatz für Nutztiere und als erneuerbar hergestellten Treibstoff (Biodiesel; z.B. Solix Biofuels, USA, Biofields, Mexiko). Algensorten wie Spirulina enthalten mehr Protein pro Gramm wie Fleisch und viele weitere wertvolle Spurenelemente. 

Als die Lösung für höhere Erträge in der Landwirtschaft gelten gentechnisch veränderte Pflanzen (oder auch Mikrobenkulturen in großen Bioreaktoren; CRISPR). Sie können mit Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen und Krankheiten optimiert werden. Auch die Ertragsmenge und der Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen lässt sich deutlich verbessern. Die Genschere CRISPR gilt bei dieser Methode als besonders streuverlustarm, dass sie sehr genau die gewollte Stelle im Genstrang verändert. Andere Verfahren der bewussten Mutationsverursachung wie Bestrahlung und chemische Mittel sind wesentlich indifferenter und erzeugen ganz unterschiedliche Genbahnveränderungen.

Den möglichen Vorteilen steht allerdings so oder so das deutliche Risiko unvorhergesehener Folgen dieses Eingriffs in die Genbahn natürlicher Zellen gegenüber. 

Eine Effizienzsteigerung ist auch durch Automatisierung möglich. Das Ernten von Kartoffeln, Getreide oder sogar Weintrauben mit automatisierten Maschinen ist heute so selbstverständlich, dass sich keiner mehr dazu einen Gedanken macht. Doch erst durch diese technischen Fortschritte war das Bearbeiten und Ernten riesige Felder möglich. Von immer weniger Menschen werden immer größere Mengen Lebensmittel produziert. Der nächste Schritt hin zu autonom fahrenden Landwirtschaftlichen Maschinen wie Mähdrescher oder Maiserntern ist schon vollzogen. Genauso werden heute Dünge- und Spritzmittel mittels funkübermittelter Sensordaten optimiert ausgebracht.

Der nächste Schritt in der Intensivierung der Lebensmittelproduktion wird gerade erprobt und weiterentwickelt: Indoor-Farming und Vertical Farming sind mit ihren standardisierten Prozessen prädestiniert für Automatisierung. Denn neben den Energiekosten sind vor allem die Personalkosten ein bedeutender Posten in dieser neuen Art und Weise der Lebensmittelproduktion.

Eine weitere Möglichkeit, die Ungleichverteilung der Lebensmittelversorgung der Menschen unterschiedlicher Regionen zu vermindern, ist gewiss auch, die maßlose Lebensmittelverschwendung deutlich zu reduzieren. Alleine in Deutschland werden ca. 18 Millionen Tonnen (das sind 18.000.000 Kilogramm) Lebensmittel jährlich entsorgt. Gründe dafür sind eine bewusste Überproduktion im Handel, um immer ausreichend Ware in den Auslagen zu haben. Dazu gehört auch die Entsorgung von an sich noch essbare Produkte wegen des abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums. Nicht zu unterschätzen ist auch die Produktverschlechterung auf dem Transportwegen. Alles zusammen führen dazu, dass "riesige Essensberge" entstehen, die verschwendet werden.
Tatsächlich könnte man mit konkreten Maßnahmen in diesem Bereich sehr schnell Wirkung erzielen. Denn bei vermindertem Bedarf in den Industrieländern würde in den Herstellerländern Produktionsfläche für die einheimische Bevölkerung frei. Außerdem reduziert sich dadurch unmittelbar der (ökologische und ökonomische) Aufwand für Transport, Lagerung und auch Entsorgung sowie der ökologische CO2-Fußabdruck.
  Doch seit im Jahre 2012 eine erste Studie zu dieser Lebensmittelverschwendung veröffentlich wurde, hat sich selbst in Deutschland nicht viel getan. Andere Industrienationen wie die USA haben das Problem noch nicht einmal im Fokus.

 

Wie häufig bei neuen Entwicklungen wird es Fehlversuche, Rückschläge und auch Sackgassen geben. Bei der Vielzahl von Ansätzen sollten sich jedoch einige Ideen durchsetzen können. Dass manche Lösungen nicht nur aus klimatischen, sondern vor allem aus Kostengründen einen engen Abnehmerkreis haben werden, ist klar. Deswegen muß ein Ziel auch sein, bezahlbare, einfach zu handhabende Lösungen der Landwirtschaft für weniger entwickelte Regionen bereit zu stellen. Doch auch daran wird bereits gearbeitet.

(Feb. 2019, © Gerald Friederici)