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Lebensmittelproduktion in Gewächshäusern

Die Lebensmittelproduktion steht weltweit vor immensen  Herausforderungen: Eine wachsende Weltbevölkerung, knapper werdende  Ressourcen und die Auswirkungen des Klimawandels erfordern innovative  Ansätze, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. In diesem Kontext rückt der Anbau von Lebensmitteln in Gewächshäusern immer stärker in  den Fokus. Moderne Gewächshäuser sind weit mehr als nur geschützte  Anbauflächen; sie entwickeln sich zu hochtechnologischen  Produktionsstätten, die durch präzise Steuerung und Ressourceneffizienz  den Ertrag signifikant steigern und eine nachhaltige  Lebensmittelversorgung ermöglichen.                                  

Der Wandel im Gewächshausanbau: Von der Nische zur Notwendigkeit                                  

Traditionell wurden Gewächshäuser für den Anbau von wärmeliebenden Kulturen oder zur Verlängerung der Anbausaison genutzt. Heute sind sie  zu einem integralen Bestandteil der globalen Lebensmittelstrategie  geworden. Der Fokus hat sich verschoben von der reinen  Temperaturkontrolle hin zu einem ganzheitlichen Ansatz, der Licht,  Nährstoffe, CO2 und Feuchtigkeit optimal auf die Bedürfnisse der  Pflanzen abstimmt. Dieser Paradigmenwechsel wird durch eine Reihe von  Faktoren vorangetrieben. Mit der zunehmenden Verstädterung wächst der  Bedarf an frischen, lokal produzierten Lebensmitteln. Gewächshäuser,  insbesondere vertikale Farmen, können sogar direkt in städtischen  Gebieten angesiedelt werden. Dies verkürzt Transportwege und  gewährleistet die Frische der Produkte. Gleichzeitig ist der  konventionelle Ackerbau ressourcenintensiv, insbesondere in Bezug auf  Wasserverbrauch und Flächenbedarf. Gewächshäuser ermöglichen durch  geschlossene Kreisläufe und präzise Dosierung einen deutlich  effizienteren Einsatz von Wasser und Düngemitteln, was zu einer  signifikanten Ressourcenschonung führt. Darüber hinaus gefährden extreme Wetterereignisse und schwankende Klimabedingungen die Ernteerträge im  Freiland. Der kontrollierte Anbau im Gewächshaus schützt die Pflanzen  vor widrigen Umwelteinflüssen und ermöglicht eine ganzjährige  Produktion, unabhängig von äußeren klimatischen Bedingungen, was die  Klimaresilienz erhöht. Nicht zuletzt minimiert die kontrollierte  Umgebung im Gewächshaus den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden, was  zu gesünderen und sichereren Lebensmitteln führt. Gleichzeitig können  Geschmack, Textur und Nährstoffgehalt der Produkte durch präzise  Steuerung optimiert werden, was die Qualität und Sicherheit der Produkte steigert.    

Technologische Innovationen: Der Schlüssel zur Ertragssteigerung
                 
Die Steigerung des Ertrags in Gewächshäusern ist eng mit dem Einsatz modernster Technologien verknüpft. Diese Innovationen ermöglichen eine präzise Steuerung aller Wachstumsfaktoren und tragen dazu bei, das volle genetische Potenzial der Pflanzen auszuschöpfen. 

Ein wesentlicher Bereich ist das optimierte Lichtmanagement. Hierbei stellt die LED-Beleuchtung eine der wichtigsten Neuerungen dar. Herkömmliche Hochdrucklampen erzeugten viel Wärme und verbrauchen viel  Energie. LED-Beleuchtungen sind energieeffizienter und emittiert weniger Wärme. Der entscheidende Vorteil liegt jedoch in der Möglichkeit, das  Lichtspektrum anzupassen. Pflanzen nutzen verschiedene Wellenlängen des  Lichts für Photosynthese und Wachstum. Mit speziellen LED-Lampen können  die Farben und Intensitäten des Lichts präzise auf die Bedürfnisse der  jeweiligen Pflanze in verschiedenen Wachstumsphasen abgestimmt werden,  was zu schnellerem Wachstum und exponentiell höheren Erträgen führt.  Ergänzt wird dies durch dynamische Beleuchtungssysteme, bei denen  Sensoren die natürliche Lichteinstrahlung messen und die Intensität und  Zusammensetzung des künstlichen Lichts dynamisch anpassen, um eine  konstante und optimale Beleuchtung zu gewährleisten  (Tageslichtverlängerung im Frühling und Herbst).    

Entscheidend für die Effizienzsteigerung sind auch erdelose Anbausysteme wie Hydroponik, Aeroponik und Aquaponik. Bei der Hydroponik wachsen Pflanzen in einer nährstoffreichen Wasserlösung. Dies spart im  Vergleich zum traditionellen Anbau bis zu 90% Wasser. Die  Nährstoffversorgung kann exakt auf die Pflanzenbedürfnisse abgestimmt  werden, was zu schnellerem Wachstum und höheren Erträgen führt. Die Aeroponik geht noch einen Schritt weiter, indem die Wurzeln der Pflanzen in der Luft  hängen und mit einem feinen Nebel aus Nährlösung besprüht werden. Dieses System ist noch wassereffizienter als die Hydroponik und ermöglicht  eine optimale Sauerstoffversorgung der Wurzeln, was das Wachstum  zusätzlich beschleunigt. Die Aquaponik stellt eine Symbiose aus Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik dar, bei der  die Ausscheidungen der Fische als Nährstoffe für die Pflanzen dienen,  während die Pflanzen das Wasser für die Fische reinigen. Dieses  geschlossene System ist äußerst nachhaltig und ressourceneffizient.    

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) und Sensorik ermöglicht die Präzisionslandwirtschaft im Gewächshaus. Eine Vielzahl von Sensoren erfasst kontinuierlich Daten über Temperatur, Luftfeuchtigkeit,  CO2-Konzentration, pH-Wert der Nährlösung, elektrische Leitfähigkeit  (EC-Wert), Lichtintensität und sogar den Feuchtigkeitsgehalt im Substrat oder die Blatttemperatur. KI-gesteuerte Analysen dieser riesigen  Datenmengen in Echtzeit identifizieren Muster, prognostizieren den  Bedarf der Pflanzen und geben Empfehlungen für die optimale Steuerung  von Beleuchtung, Bewässerung, Nährstoffzufuhr und Belüftung. Dies  ermöglicht eine vorausschauende und hochpräzise Anpassung der  Wachstumsbedingungen. Basierend auf den KI-Analysen können Prozesse wie  Bewässerung, Düngung, Belüftung und sogar die Ernte weitgehend  automatisiert werden, was den Arbeitsaufwand (Personalbedarf) reduziert  und die Effizienz steigert. 


Um die Wirkung dieser Technologien auf den Ertrag zu  verdeutlichen, lassen sich konkrete Beispiele anführen. In einem  modernen Tomatengewächshaus kann KI eingesetzt werden, um in Echtzeit  die genauen Nährstoffbedürfnisse der Pflanzen basierend auf Umweltdaten  und dem Entwicklungsstadium zu ermitteln. Die KI steuert dann präzise  die Zusammensetzung und Menge der Nährlösung in einem Hydroponiksystem.  Dies verhindert Mangelerscheinungen oder Überdüngung und führt zu einem  signifikant schnelleren und gesünderen Wachstum der Pflanzen, was sich  direkt in einem höheren Ertrag pro Pflanze und Fläche niederschlägt. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Kameras und KI zur automatisierten Erkennung von Schädlingen und Krankheiten im Frühstadium. Die KI kann winzige Veränderungen an Blättern oder  Stängeln erkennen, die für das menschliche Auge noch nicht sichtbar  sind. Dies ermöglicht eine punktuelle und schnelle Bekämpfung von  Problemen, oft durch biologische Mittel, bevor sie sich ausbreiten und  große Teile der Ernte vernichten. Der dadurch reduzierte Ernteverlust  und der geringere Einsatz von Pflanzenschutzmitteln tragen maßgeblich  zur Steigerung des nutzbaren Ertrags bei. Die Branche forciert zunehmend den Einsatz von Robotik für Aufgaben wie das Pflanzen, Beschneiden und sogar das Ernten von  empfindlichem Gemüse oder Früchten, wodurch menschliche Arbeitskraft  entlastet und die Präzision und Geschwindigkeit der Prozesse erhöht  wird.

Die CO2-Anreicherung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Pflanzen benötigen CO2 für die  Photosynthese. Durch die kontrollierte Anreicherung der  Gewächshausatmosphäre mit CO2 wird die Photosyntheseleistung gesteigert  und das Pflanzenwachstum beschleunigt. Dies ist eine etablierte Praxis  (bis hin, dass CO2 aus Industrieanlagen oder Kraftwerken genutzt wird),  wird aber durch präzisere Sensorik und Steuerungssysteme noch  effizienter gestaltet.      

Obwohl nicht ausschließlich auf Gewächshäuser beschränkt, sind vertikale Farmen (Vertical Farming) oft in geschlossenen Gewächshausstrukturen integriert. Durch den Anbau in  mehreren Etagen wird der Flächenbedarf drastisch reduziert, was  besonders in urbanen Gebieten von Vorteil ist. In Kombination mit den  oben genannten Technologien ermöglicht dies eine extrem hohe  Produktivität auf kleiner Fläche – an 365 Tagen im Jahr.    

                              

Gewächshäuser in extremen geografischen Lagen    

Die Fähigkeit moderner Gewächshäuser, eine kontrollierte und  optimierte Wachstumsumgebung zu schaffen, zeigt sich besonders  eindrucksvoll in extremen geografischen Lagen, in denen traditionelle  Landwirtschaft kaum oder gar nicht möglich ist. Beispielsweise  ermöglichen hochtechnologische Gewächshäuser in arktischen Regionen wie  Island oder Kanada den ganzjährigen Anbau von frischem Gemüse, obwohl  die Wintermonate von extremer Kälte und mangelndem Tageslicht geprägt  sind. Hier kommen fortschrittliche Isolierung, effiziente Heizsysteme  (in Island als Ausnahmestandort durch Geothermie) und vor allem  leistungsstarke LED-Beleuchtung zum Einsatz, die das fehlende  Sonnenlicht vollständig kompensiert. Ebenso sind Gewächshäuser in  trockenen Wüstenregionen, etwa im Nahen Osten, von unschätzbarem Wert.  In diesen Gebieten, die unter extremer Hitze und chronischem  Wassermangel leiden, ermöglichen geschlossene Bewässerungssysteme, die  Wasser (zum Beispiel aus Meerwasserentsalzungsanlagen) recyceln, sowie  spezielle Kühl- und Belüftungstechniken den Anbau von wasserintensiven  Kulturen. Diese Beispiele belegen eindrucksvoll, dass moderne  Gewächshaustechnologie die Grenzen der Lebensmittelproduktion verschiebt und die Versorgungssicherheit auch unter widrigsten äußeren Bedingungen gewährleisten kann.

Während Glas als Material für die Dacheindeckung lange Zeit der Standard in professionellen Gewächshäusern war, gewinnen ETFE-Folien (Ethylen-Tetrafluorethylen) aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften zunehmend an Bedeutung. ETFE-Folien bieten eine außergewöhnlich hohe Lichtdurchlässigkeit, oft über 90% des sichtbaren Lichts und des vollen UV-Spektrums. Im Vergleich dazu blockiert Glas einen Großteil des UV-Lichts. Die volle Spektrum-Durchlässigkeit von ETFE ist entscheidend für die Pflanzenphysiologie. UV-A-Licht fördert beispielsweise die Produktion von sekundären Pflanzenstoffen wie Anthocyanen, Betacarotin und Glykosiden, die für Geschmack, Farbe und Nährwert der Pflanzen wichtig sind. Dies kann zu höheren Erträgen und einer besseren Qualität der Lebensmittel führen. UV-Licht hat zudem eine fungizide und bakterizide Wirkung, was den Bedarf an chemischen Behandlungen gegen Schimmel, Pilze und Bakterien reduziert.

Hinzu kommen Vorteile wie ein geringes Eigengewicht (verringert den Aufwand in der Unterkonstruktion), die Bruchfestigkeit im Fall von z.B. Hagel (kein Glasbruch möglich), die selbstreinigende Oberfläche (Vorteil vor allem in Gegenden, in denen es regelmäßiger regnet) und bei Anwendung als Mehrschichtsystem (cushion, ETFE-Kissen) die verbesserten thermischen Eigenschaften. ETFE-Folien sind im Gegensatz zu den häufig verwendeten PE- oder PVC-Folien extrem langlebig (>25 Jahre) und leicht zu reparieren.


Herausforderungen und zukünftige Perspektiven    

Trotz der vielversprechenden Entwicklungen stehen der  Gewächshaus-Lebensmittelproduktion auch Herausforderungen gegenüber.  Zwei signifikante negative Aspekte sind die hohen anfänglichen  Investitionskosten für den Bau und die Ausstattung hochtechnologischer  Anlagen sowie der potenziell hohe Energieverbrauch, insbesondere für  Beleuchtung, Heizung und Kühlung, je nach Standort und Anbausystem.  Diese Faktoren können die Wirtschaftlichkeit maßgeblich beeinflussen und den Zugang für kleinere Betriebe erschweren. Zudem erfordert der  Betrieb solcher Hightech-Anlagen spezialisiertes Wissen und gut  ausgebildetes Personal.


Diese Herausforderungen müssen jedoch im Kontext der erheblichen  Vorteile betrachtet und relativiert werden. Während die  Anfangsinvestitionen hoch sind, können sie durch die signifikant höheren Erträge pro Fläche und die Möglichkeit der ganzjährigen Produktion über die Zeit amortisiert werden. Die verbesserte Ressourceneffizienz,  insbesondere beim Wasserverbrauch durch geschlossene Systeme, reduziert  langfristig die Betriebskosten und schont wertvolle Ressourcen. Der  Energieverbrauch ist zwar ein wichtiger Punkt, wird aber zunehmend durch die Integration erneuerbarer Energien wie Solar-, Wind- und Geothermie  sowie durch die kontinuierliche Optimierung der Energieeffizienz von  Beleuchtungs- und Klimasystemen adressiert. Zudem müssen die externen  Kosten der traditionellen Landwirtschaft, wie Bodendegradation, hoher Wasserverbrauch und Umweltbelastung durch Pestizide, bei einem Vergleich berücksichtigt werden. Die kontrollierte Umgebung im Gewächshaus  minimiert diese negativen Umweltauswirkungen erheblich. Die Zukunft der  Gewächshaus-Lebensmittelproduktion sieht daher trotz dieser Hürden rosig aus. Die weitere Forschung und Entwicklung wird sich auf die Integration von Robotik (Erkennung des Reifegrades und die Ernte werden bereits im praktischen Einsatz  optimiert) zur Automatisierung von Aussaat bis Ernte, die Pflanzenzucht  für den Gewächshausanbau zur Entwicklung neuer, angepasster Sorten,  nachhaltige Energielösungen zur vollständigen Integration erneuerbarer  Energien und die datengestützte Entscheidungsfindung durch immer  ausgefeiltere KI-Modelle konzentrieren, um die Effizienz weiter zu  steigern und die Kosten zu senken.  

Kein Kann, sondern ein Muss

Die Gewächshaus-Lebelsmittelproduktion hat sich von einer  Nischenpraxis zu einem zentralen Element der modernen Landwirtschaft  entwickelt. Angetrieben durch die Notwendigkeit, eine wachsende  Weltbevölkerung nachhaltig zu ernähren, ermöglichen technologische  Innovationen wie optimiertes Lichtmanagement, erdelose Anbausysteme,  KI-gesteuerte Sensorik und CO2-Anreicherung eine signifikante Steigerung der Erträge und eine effizientere Nutzung von Ressourcen. Während  Herausforderungen wie hohe Anfangsinvestitionen und Energiebedarf  bestehen, weisen die kontinuierliche Forschung und Entwicklung in  Richtung Automatisierung, verbesserte Pflanzenzucht und nachhaltige  Energielösungen den Weg zu einer noch produktiveren und  umweltfreundlicheren Gewächshausproduktion. Die Vision einer  effizienten, ressourcenschonenden und standortunabhängigen  Lebensmittelproduktion rückt durch diese Entwicklungen in zunehmend  greifbare Nähe und wird eine entscheidende Rolle bei der Sicherung  unserer zukünftigen Lebensmittelversorgung spielen.                                  

                 

                         

      Hilfreiche Links:                               

      https://www.fisaonline.de/einrichtungen-finden/internationale-einrichtungen/     

     Wageningen University & Research (WUR)    

     https://www.glastuinbouwnederland.nl/publiek/home/